Inspirierende Auftaktveranstaltung im Minoritenzentrum
Am 14. Mai öffnete das Bildungsforum bei den Minoriten, mit dem Bischöflichen Amt für Schule und Bildung und dem KULTUM, erstmals am neuen, gemeinsamen Standort, dem Minoritenzentrum Graz, seine Tore. INGRID BRODNIGS Präsentation ihres jüngsten Buches „Wider die Verrohung“ und der anschließende Talk mit knapp 200 Gästen bildete den Höhepunkt dieses Tages.
„Schaut nicht auf das, was euch trennt. Schaut auf das, was euch verbindet. Seid Menschen. Seid vernünftig.“ Mit diesem Appell der kürzlich, mit 103 Jahren verstorbenen Margot Friedländer erläuterte Kathrin Karloff, Pädagogische Leiterin des Bildungsforums bei den Minoriten, das Ziel der Veranstaltung: das Verbindende in den Vordergrund zu rücken – und zugleich, aufgrund des Erstarkens rechts- und linkspopulistischer Kräfte, geeignete, aufklärerische Wege und Mittel zu finden, unsere Gesellschaft menschlich und lebenswert zu gestalten. Vor allem gelte es auf dem Hintergrund digitaler Herausforderungen, so Karloff, der zunehmenden Härte im Netz klar, reflektiert und entschieden zu begegnen.
Dynamisch-humorvoll setzte die Top-Journalistin und Bestsellerautorin INGRID BRODNIG genau hier an und erläuterte, wie die Verrohung bewusst herbeigeführt wird: durch „Bullshit“-Debatten, populistische Diskussionsmuster, Diffamierung und Hetze gegen öffentliche Personen und rechtsextreme Kampagnen, angetrieben von Mechanismen sozialer Medien. „Gefährliche, kuriose und aufgeblasene Falschmeldungen zielen darauf ab, Gespräche und Konsens verhindern.“
Anschaulichst, mit zahlreichen alltagspolitischen Beispielen, ging Brodnig schließlich auf die „Taktiken der Meister der Beleidigungen“ ein, deren „Methoden der Eskalation“ nichts anderes als „die Zerstörung öffentlicher Debatten“ anvisierten. Als notwendigen Gegenpol packte Brodnig ihr hilfreiches Rüstzeug aus, um der Härte von Fake News und Emotionalisierung beizukommen: Strategien wie die Entwicklung von Reflexionsfähigkeit und Achtsamkeit sich selbst und dem/der Anderen gegenüber sowie praktische Tipps wie Faktenchecks, um Eskalationsmuster zu erkennen und mit Klarheit darauf reagieren können.
Im Gespräch mit Kathrin Karloff und Florian Traussnig, Bildungsreferent im Bildungsforum bei den Minoriten, erläuterte Brodnig mögliche Reaktionen, wenn der „innere Ruhepol“ fehle und man in einer eskalierenden Situation keinen klaren Kopf bewahren könne. Hinsichtlich der zukünftigen Auswirkungen, mit denen wir durch die Flutung unserer Gesellschaft mit Falschmeldungen in großem Stil schon jetzt konfrontiert sind, äußerte sich Brodnig besorgt, betonte aber die Bedeutung individueller Verantwortung: „Jede und jeder Einzelne von uns kann einen positiven Einfluss darauf ausüben, wie in unserer Gesellschaft miteinander gesprochen wird!“ Ko-Moderator Traussnig arbeitete in diesem Zusammenhang zwei hilfreiche Grundhaltungen bei (digitalen) Debatten heraus: weltanschauungsübergreifende Empathie und intellektuelle Demut.
Die Einführung qualitätsvoller Medienkunde als Unterrichtsfach sei laut der Journalistin zudem im Schulbereich hilfreich, damit Schüler:innen Fake News erkennen und sich klar von ihnen distanzieren können. So würden „Polemik, irreführende Argumente oder reißerische Überschriften“ nicht noch weitere Kreise ziehen. Auf die Frage, ob wir wieder „wie die Kinder“ lernen müssten, höflich miteinander zu sprechen, ging Brodnig auf eine Gesprächsmethode aus den USA namens „Deep Canvassing“ ein, die ergebnisoffene, respektvoll geführte Gespräche auf Augenhöhe erzeuge und für die Gestaltung komplexer Diskussionsräume hilfreich sei. Mit Betonung der persönlichen Verantwortung schloss Ingrid Brodnig den gehaltvollen Talk, der bei Speis und Trank im Foyer in gemütlicher Gesprächsatmosphäre munter weiter ging: „In gewisser Weise halten Menschen selbst den Schlüssel in der Hand, was ihre eigene Wahrheit ist. Wir laden Sie nur ein, sich mit dem auseinanderzusetzen.“